Wer Jochen Leipf kennt, weiß: Der technisch Verantwortliche des Freudenberg-Kraftwerks im Industriepark Weinheim (IPW) argumentiert streng sachbezogen. Seine Aussagen beruhen auf fachlich fundierten Daten und Fakten. Wenn er von einem „sehr guten Energiemix“ spricht und hinzufügt „viel besser können wir kaum werden“, dann haben diese Worte Gewicht.
Als Energieversorger des IPW unterrichtet Freudenberg Service (FSV) seine Kunden jährlich über den Energiemix des Standorts. Woher stammen Strom, Wärme – also der Dampf zum Heizen und Produzieren –, wie entstehen Druckluft, Kälte und Prozesswasser? Und welche CO2-Emissionen bringt das mit sich? Die gute Nachricht: Der Anteil erneuerbarer Quellen bei der Energieerzeugung liegt im IPW enorm hoch, deutlich höher als im Bundesdurchschnitt, dem „Deutschlandmix“. Die Energieart „Strom“, wie sie die Freudenberg-Gesellschaften von FSV beziehen, ist zu zirka 80 Prozent nachhaltig grün. Der Anteil, den das Industriekraftwerk nicht selbst herstellt, sondern extern zukauft, ist sogar zu 100 Prozent CO2-neutral (siehe Kasten).
Elektrifizierung weit fortgeschritten
Die von Freudenberg auf dem langfristigen Weg zur CO2-Neutralität angestrebte Elektrifizierung ist im Kraftwerk des IPW bereits weit fortgeschritten. Einzig in der Wärmeerzeugung setzt FSV noch auf Erdgas. Und auch hier werden die CO2-Emissionen ab 2026 deutlich sinken. Eine der Ursachen für diesen erfreulichen Rückgang ist die hohe Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Kraftwerk. Kurz zur Erklärung: Die KWK-Technologie schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Die bei der Dampferzeugung per Gasturbine erzeugte Abwärme wird nicht unnütz über den Schornstein als energiereiche Abluft in die Atmosphäre geblasen, sondern zur Stromerzeugung genutzt. Das heißt: FSV erzeugt diesen Strom sozusagen als „Abfallprodukt“ der Wärmeproduktion. Das ist umweltfreundlich und energieeffizient, weil keine ungenutzte Wärme über Kühltürme abgegeben werden muss.
Neuer „Power-to-heat“-Kessel
Noch moderner und nachhaltiger ist allerdings Dampf aus Grünstrom. „Um unseren Energiemix bei der Wärmeerzeugung aktuell noch nachhaltiger zu gestalten, braucht es demnach einen Technologiewechsel“, sagt Leipf. Genau den hat das Industriekraftwerk bereits eingeleitet. Schon in diesem Jahr nimmt es einen elektrischen Hochspannungs-Elektrodenkessel in Betrieb. Diese sogenannte Power-to-heat-Anlage wird einen beachtlichen Teil des im IPW benötigten Dampfs mit nachhaltigem Grünstrom anstatt mit fossilem Erdgas erzeugen. Mittelfristig planen die FSV-Energiestrategen, den verbleibenden Erdgasanteil durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Sollte sich dies nicht realisieren lassen, stehen als Alternativen ein zweiter elektrischer Power-to-heat-Kessel oder eine elektrische Hochtemperatur-Wärmepumpe zur Wahl.
Grünstrom als Verkaufsargument
„Wir verstehen uns als Vorreiter bei den Nachhaltigkeitsanstrengungen von Freudenberg und streben an, den Standort bereits in der ersten Hälfte der 2030er Jahre CO2-neutral zu betreiben“, blickt Leipf voraus. Der Vorteil dieser Nachhaltigkeitsstrategie für die ansässigen Energieabnehmer: Sie können den CO2-Fußabdruck ihrer im IPW gefertigten Produkte wesentlich reduzieren. Dies stellt in manchen Branchen ein wichtiges Verkaufsargument dar.
Der Vollständigkeit halber: Im Freudenberg-Kraftwerk „hängen“ auch die Kompressoren der Druckluft- und Kälteerzeugung sowie die Pumpen der Prozesswasserverteilung am Grünstrom – und beeinträchtigen daher den CO2-Fußabdruck nur in sehr geringem Ausmaß.
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Woher stammt der Ökostrom?
Rund 80 Prozent seines Strombedarfs deckt der IPW mit extern zugekauftem Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Für das Grünstrom-Management der gesamten Unternehmensgruppe ist Freudenberg Business Service (FBS) verantwortlich. Die Geschäftseinheit bezieht zum einen Grünstrom direkt aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Hierfür schließt sie mit deren Betreibern sogenannte Power Purchase Agreements (PPA) ab. Ergänzend dazu kauft FBS grüne Energiezertifikate zu, sogenannte Guarantees of Origin (GOO). Dritte Grünstromquelle im IPW sind eigene Photovoltaikanlagen, wie sie auf Bau 355 sowie auf den Neubauten „Corteco“ und „Rohmischwerk“ installiert sind, beziehungsweise noch installiert werden.